BEM - lästige Pflicht oder sinnvolle Maßnahme?
Eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts konkretisiert die Pflichten des Arbeitgebers zur Wiedereingliederung von erkrankten Beschäftigten im Betrieb. Die Voraussetzungen und Möglichkeiten des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) sollten Dachdeckerbetriebe kennen, um dieses wichtige Instrument richtig zu nutzen.
Was ist BEM?
BEM ist zunächst eine gesetzliche Pflicht. Sie greift, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres mindestens sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt sind. Dann muss der Arbeitgeber ein Betriebliches Eingliederungsmanagement anbieten. Die Teilnahme ist für die Beschäftigten freiwillig. Durch BEM soll möglichst frühzeitig geklärt werden, welche Maßnahmen sinnvoll sind, um den Betroffenen weiterhin dauerhaft beschäftigen zu können. BEM ist also auch ein Präventionsinstrument. Je nach Art der Erkrankung macht es gerade im Dachdeckerhandwerk Sinn, Beschäftigte nach einer längeren Erkrankung stufenweise wiedereinzugliedern, um Arbeitnehmer:innen nicht zu überlasten. Dies vermeidet möglicherweise eine erneute Krankmeldung oder sogar eine Schwerbehinderung.
Hamburger Modell
Die bekannteste Form einer stufenweisen Wiedereingliederung ist das „Hamburger Modell“. Dabei werden in einem Stufenplan Beginn und Ende der Wiedereingliederungsphase, die einzelnen Stufen mit den entsprechenden Wochenstunden und den zumutbaren Aufgabenfeldern erstellt. Weiterhin legt man einen voraussichtlichen Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit fest. Dieses Modell hat den Vorteil, dass der Arbeitnehmer während der stufenweisen Wiedereingliederung weiterhin Kranken‐ oder Übergangsgeld erhält und der Arbeitgeber so Personalkosten spart (gilt nur für gesetzlich Versicherte). Ansprechpartner ist die zuständige Krankenkasse.
Voraussetzungen für BEM
Die Verpflichtung zum Angebot eines BEM besteht für alle Beschäftigten (also nicht nur für schwerbehinderte Personen) und unabhängig von der Betriebsgröße.
Ein BEM ist durchzuführen, sobald die zeitliche Grenze von 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit überschritten ist ("Auslöseschwelle" nach 42 Tagen). Entscheidender Zeitraum ist ein Jahr (nicht Kalenderjahr). Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine oder mehrere Erkrankungen handelt, und ob sich diese über sechs Wochen am Stück oder verteilt über mehrere Monate erstreckt. Auch die Ursache für die Arbeitsunfähigkeit spielt keine Rolle.
Fazit
Ein passgenaues BEM liegt im Interesse aller Beteiligten. Gerade in Berufen mit körperlichen Belastungen wie im Dachdeckerhandwerk kann es dazu beitragen, die volle Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten wiederherzustellen und dauerhaft zu erhalten. Eine Wiedereingliederung nach dem „Hamburger Modell“ ist zudem durch die finanzielle Förderung der Krankenkassen für beide Seiten von Vorteil. Richtig angewandt, ist BEM ein gutes Mittel zur effektiven Mitarbeiterbindung. In abgewandelter Form ist dieses Vorgehen auch für ältere Mitarbeiter:innen ohne Erkrankung vorstellbar. Eine modifizierte Umstellung der Arbeitsweise auf die individuellen Belange ist in Zeiten des Fachkräftemangels eine kluge Investition des Arbeitgebers in seine wichtigste Ressource: Die Mitarbeitenden. BEM ist also keine lästige Pflicht, sondern eine sinnvolle Maßnahme. Innungsbetriebe können das ZVDH-Infoblatt „Betriebliches Eingliederungsmanagement – was Dachdecker wissen müssen“ im internen Bereich als PDF herunterladen (Bereich: Recht // Arbeits-, Tarif- und Sozialrecht).